Mittwoch, 5. Januar 2011

Diskussion über Wiedergeburt

Die Diskussion setzt ein als ich Dennis nach seiner Auffassung der Wiedergeburt frage. Zuvor beginnt sie jedoch mit dem Thema: Was das beste am Buddhismus sein soll. (Dieser Teil ist hier ausgelassen)

17.12.2009 um 12:15 Uhr

Blob:
Hey Dennis,
kannst du mir erklären was bei der Reinkarnation wiedergeboren wird?

Dennis M.:
Da verweise ich dich am besten auf folgende Sutta: http://palikanon.com/majjhima/m038n.htm - dort müsstest du eine Antwort finden.

Blob:
OOh ja, ein sehr interessantes Sutra.
Doch ist dir aufgefallen, dass der Erhabene immer nur von der Geburt spricht und dem Bewusstsein und nicht von einem Geborenen etc.
Du meintest ja, dass die Wissenschaft vielleicht noch die Reinkarnation beweist, doch die Wissenschaft, wie auch der Buddha gehen nunmal von keiner wahrhaften Existenz des Ichs aus. Ich denke es wird der Wissenschaft niemals gelingen oder gar in den Sinn kommen die Wiedergeburt zu beweisen. Auch der Buddha geht laut meines Wissenstandes ja auch nicht von einer persönlichen Reinkarnation aus, da es die Person an sich ja gar nicht gibt.
Ich gehe also eher von einer metaphorisch gemeinten Wiedergeburt, wie Buddha sie beschrieben hat aus. Das also beispielsweise meine Unwissenheit als Ursache für die Unwissenheit zukünftiger "Personen" dient, also ganz im Sinne des Karmagesetzes, nur das das Karma nunmal nicht an eine, laut dem Gesetz des Buddhas "nicht letztendlich existierendes Ich" gebunden ist sondern universeller verstanden werden kann.
Buddhaghosa: "Nur Leid gibt`s, doch keinen Leider,
keinen Täter gibt`s, doch die Tat,
Verlöschen gibt`s, keinen Verloschnen,
keinen Geher gibt`s doch den Pfad...
Nicht gibt`s einen Täter des Kamma
und keinen an dem es reift".
Was hälst du von diesen Interpretationen?

Dennis:
Hallo Blob.
Nun, gegen deine Theorie einer Reinkarnation im übertragenen Sinne spricht vieles. Sehr vieles sogar. Zwei einfache Beispiele unter etlichen: wenn Existenz wirklich Dukkha ist und mein weiter unten angeführtes Zitat beweist, dass der Tathagâta das Dasein wirklich als leidbringend ansieht, wieso hat er dann nicht einfach zu kollektivem Selbstmord geraten? Wozu ist dann der von ihm aufgezeigte Pfad gut? Die Channovâda Sutta dreht sich um den Mönch Channa, der unter extremen körperlichen Schmerzen leidet, aber bereits die Heiligkeit erreicht hat und sich infolgedessen selber das Leben nimmt. Der Buddha weiß darauf Folgendes zu sagen:
"Es gibt ja wohl dort, Sāriputto, solche Freunde, solche Genossen von Channo dem Mönche, denen es als Tadel gilt. Ich sage nicht, Sāriputto, daß man darum Tadel habe. Wer da, Sāriputto, den einen Körper ablegt und einen anderen Körper annimmt, der, sag' ich, ist tadelhaft. Das gilt von Channo dem Mönche nicht. Untadelhaft hat Channo der Mönch zur Waffe gegriffen."
Zweitens gibt es einen stereotypen Textteil in einigen Sutten, der das dreifache Wissen des Erhabenen und eines fortgeschrittenen bzw. am Ziele angelangten Mönches beschreibt. Du findest ihn unter anderem hier: http://palikanon.com/majjhima/m071n.htm - wie sollten diese Dinge metaphorisch gemeint sein?
Klar, die Anattâ-Lehre ist tiefgründig und nur schwer zu verstehen. Dennoch sollten wir uns nicht in Missverständnissen verfangen, die dazu führen, dass wir frustriert vom Pfad abweichen. Ich hoffe, ich habe deine Interpretation richtig verstanden.
Und von Buddhaghosa halte ich mich so weit wie möglich fern. Er wird zwar von vielen als guter Kommentator anerkannt, aber sein Visuddhimagga ist wirklich nicht der Rede wert. Geschrieben hat er dieses Werk nicht, nachdem er den darin beschriebenen Weg bereits gegangen ist, damit Erfolg hatte und diesen nun auch anderen ermöglichen wollte, sondern einfach bloß, um sich ausreichend Kamma zu schaffen, damit er unter den Devas wiedergeboren werden und auf die Erde zurückkommen kann, sobald Metteyya, der zukünftige Buddha, geboren wird, und unter ihm die Wahnerlöschung erlangen kann. Allein das zeigt schon, dass er nicht viel Vertrauen in seinen Weg zur Reinheit haben konnte. Außerdem hat er aufgrund dieses Zieles nie meditiert, soweit ich das verstanden habe, das heißt, die Dinge, die meditativen Erkenntnisse, die er beschreibt, haben keinen Wert.

Blob:
Hallo Dennis^^,
ich verstehe nicht ganz wie du von meinen Ausführungen aus, auf eine Vorteilhaftigkeit eines kollektiven Selbstmordes kommst.? Genau dieses Argument lässt sich doch erst recht gegen eine persönliche Wiedergeburt verwenden. Würden sich also alle Wesen im Universum selbst umbringen, gäbe es ja gar keine Körper mehr in denen sie wiedergeboren werden könnten. Entweder müsstest du dann ja davon ausgehen, dass sie irgendwo hoffnungslos herumschweben würden oder sich alle automatisch auflösen würden.
Mich hat vor ein paar Monaten mal ein Theravada Mönch, den ich in Singapur kennen gelernt habe, besucht und ich fragte ihn ob er an Wiedergeburt glaubt. Er fand die Frage natürlich völlig legitim und bejate meine Frage. Weiterhin aber meinte er, dass Wiedergeburt immer noch eine Vorstellung ist und ob es nun so ist oder nicht letztlich doch egal sei und wir dabei auch gerne von der modernen Wissenschaft lernen sollten, denn es wird einfach so passieren wie es der Wahrheit entspricht, egal welchen Glauben wir vorher hatten.
Ja ich kenne einige dieser Sutras in denen der Buddha von seinen vorherigen Existenzen spricht. Ich weiss auch, dass der Buddha die Upanishaden genau analysiert hat und dabei zwar die Vorstellung eines Atman ablehnte, aber die Wiedergeburt in seiner Lehre übernahm. Doch genau wie du es mal gesagt hast denke ich, dass der Buddha, aus Berücksichtung der damaligen gesellschaftlichen Bedingungen einiges anpassen musste. Die Wiedergeburt ist dabei sehr gut mit der Karma-Lehre vereinbar, welche auch nach heutigen Erkenntnissen immer mehr bestätigt wird. Nicht jeder Mensch, früher wie heute, kommt nunmal mit der Anatta-Lehre zurecht, welche aber ebenfalls nach modernsten wissenschaftlichen Fakten zunehmenderweise bewiesen wird, dennoch war es dem Buddha möglich über seine Reinkarnations-Lehre auch diese Menschen von weitreichenderen Folgen ihres Karmas zu überzeugen als die Folgen innerhalb einer Lebensspanne. Die Erläuterungen des Buddhas bezüglich seiner vorangegangenen Existenzen, sind desweiteren sehr wohl interpretierbar. Ich denke, dass der Buddha mit diesen Aussführungen einfach nur die Lehre der wechselseitigen Beziehungen verdeutlicht bzw. versinnbildlicht haben könnte. Der Buddha an sich hat also das Ich als Illusion erkannt, damit durchbricht er nun die Grenzen zwischen "Sich" und dem Rest des Universums, somit also auch zwischen "sich" und allen anderen Personen. Alle anderen (zwei,... Zehn... Tausend...) Leben erkennt er also als selbes illusorisches "Ich"- als Leerheit. Er war also wirklich von "solchem Namen und von solchem Stand" da er die Grenze zwischen "sich" und dem Universum AUFLÖSTE - er löste sich von der Vorstellung/Unterscheidung von "du und ich". Das ist (denke ich) Nirvana.
Du bist dran meine These zu widerlegen. Ich freue mich^^.

Kleine Ergänzung (aus dem Kalama Sutta):
" Gibt es eine andere Welt und gibt es eine Frucht, ein Ergebnis guter und schlechter Taten, so ist es möglich, daß ich beim Verfall des Körpers, nach dem Tode, auf glücklicher Daseinsfährte erscheine, in himmlicher Welt " - dieses Trostes ist er gewiß :
" Gibt es aber keine andere Welt und gibt es keine Frucht, kein Ergebnis guter und schlechter Taten, so lebe ich eben hier in dieser Welt ein leidloses, glückliches Leben, frei von Haß und Übelwollen " - dieses zweiten Trostes ist er gewiß

Dennis:
Hallo Blob.
Ich freue mich, zu sehen, dass du dir ernsthafte Gedanken über dieses Thema gemacht hast und auch die Sutten nicht außer Acht lässt. Weiter so. :-)
Nun, ich möchte mich da nicht im komplexe Gedankengänge verstricken und deswegen auch keine Theorien mit anderen Theorien widerlegen. Auch, wenn es gut ist, gewisse Dinge zu kontemplieren, solltest du nicht versuchen, Konzepte in die Lehre einzubringen, die gar nicht vorhanden sind. Ich kann auf deine Äußerungen bloß aus der Vernunft heraus antworten: welcher Lehrer wäre so töricht, die Wahrheit ausschließlich in Metaphern zu vermitteln - und wie könnte das auf einen Buddha zutreffen? Auf diese Weise lassen sich alle möglichen wirren Ideen einbringen, die nicht Dhamma sind, und so argumentieren auch die ganzen närrischen Menschen, die zu erklären versuchen, dass der Erwachte den Gottglauben gelehrt hat oder eben, dass die Begierden auf dem Weg zur Wahnerlöschung helfen können (Tantra - siehe weiter unten), dies aber nicht ausdrücken konnte. Nein, er hat zwar dazu geraten, sich in einem gewissen Umfang an soziale Normen anzupassen, aber das muss auch seine Grenzen haben. Hätten sonst so wunderbare Bhikkhus wie Ajahn Mun auf ihrem neuen und einzigartigen Weg Erfolg haben und die thailändische Waldtradition errichten können, wenn sie sich immer an das gehalten hätten, was die Mehrheit von ihnen verlangt hat? Besagter Ajahn Mun hat sich ganz bewusst nicht den Erwartungen der Gesellschaft gebeugt, da derartige Richtlinien per se von Menschen stammen, in denen noch Gier, Hass und Verblendung herrschen. Und wenn ganz offensichtlich erleuchtete Bhikkhus davon sprechen, dass Wiedergeburt/Reinkarnation stattfindet, und das noch in einfachen Worten, wem sollte man dann eher glauben: dem eigenen kulturellen Hintergrund, dem das Ganze fremd ist, oder solchen, die die Welt hinter sich gelassen haben und es deshalb besser wissen? Ein Mönch sollte nicht an Rang und Status hängen, es sich aber auch nicht gezielt schwerer machen als nötig. Das ist der einzige vernünftige Grund, sich an sozialen Normen zu orientieren: um keine Nachteile zu erfahren, um ein einfaches (nicht im Sinne von Faulheit) Leben frei von Sorge führen zu können, Almosen erhalten zu können, damit in den Menschen keine Zweifel auftreten und sie sehen, dass die Sakyersöhne im Besitz von Sittlichkeit sind. Ein Mittelweg. Majjhima pâtipâda. "Zwei Extreme, ihr Mönche, hat der in die Hauslosigkeit Gezogene zu vermeiden: sich der Sinnenlust hinzugeben, der niedrigen, gemeinen, weltlichen, unedlen und sinnlosen, und sich der Selbstkasteiung hinzugeben, der leidvollen, unedlen und sinnlosen." Das wird auch der Grund für die vielen externen Verhaltensregeln im Vinaya sein, dass sich ein Mönch in Gesellschaft so und so zu verhalten und seine Mahlzeit auf diese und jene Weise einnehmen sollte.
Ich bin mir nicht ganz sicher, an welcher Stelle das ist, aber irgendwo sagt der Buddha auch, dass es einige Sachen gibt, über die man sich besser keine Gedanken macht, da sie nur zu weiterem Wahn führen würden. Darunter nibbâna.
Das zweite Zitat aus dem Kesamutti Sutta sagt eigentlich bloß, dass der edle Jünger sich sicher sein kann, dass er, sollte er die Wahnerlöschung erlangt haben, keinen weiteren Körper mehr annehmen wird, oder, sollte das nicht der Fall sein, nach dem Tode unter den Devas erscheinen wird. Mehr lese ich da nicht.
Ich möchte mich aber nicht als dein Lehrer aufspielen, dir bleiben deine Ansichten überlassen, wenn du möchtest. Mir fiel es selber anfangs schwer, den Reinkarnationsglauben anzunehmen, das kam aber allmählich, je mehr ich mich in die Lehrreden reingekniet habe und die einzelnen Wahrheiten in der Lehre erfahren habe. So etwas entwickelt die Bereitschaft, sich für die wirklichen einschneidenden Inhalte zu öffnen. Deshalb würde ich dazu raten, dass du meine Worte gar nicht beachtest und dich direkt an die Quelle wendest. Und verzeih die Länge des zweiten Absatzes, ich wusste halt nicht, was ich davon sauber in einen dritten abtrennen konnte.

Blob:
Hey Dennis,
yep du hast sicherlich recht mit deinen Aussagen. Ich fühle mich nur immer wieder dazu hingezogen wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem des Buddhismus harmonisieren zu wollen. Aber es ist wie du bereits sagtest so, dass auch die Wissenschaft noch längst nicht alles weiß, daher stehe ich zum jetzigen Zeitpunkt zwischen zwei "Kräften" die es noch miteinender zu vereinen gilt. Interpretationen sind für mich also selbstverständlich nur Mittel zum Zweck, die sich mit neuen Erkenntnisen jederzeit ändern sollten. Letzten Endes denke ich aber, wir sollten uns nicht im Glauben verlieren, sondern Zuflucht nur im Vertrauen zu bestimmten Lehren und individueller Erkenntnis suchen; wir sollten aber nicht an Konzepten anhaften, die sich dann eventuell noch als falsch erweisen werden.
Alles Gute, Blob

Änderung der URL

Hallo liebe Leser,
um etwas anonymer verfahren zu können, habe ich letzten Monat nun meine URL-Adresse geändert. Hoffentlich findet ihr also zurück auf meine Seite. Und falls ihr entsprechende Verlinkungen habt, wollte ich euch nur drauf aufmerksam machen diese, bei Lust und Laune, zu aktualisieren.
Es folgt ein Post über eine Diskussion mit einem gleichaltrigen Buddhisten über die Wiedergeburt des Buddhismus. Die Diskussion ist jetzt eigentlich schon ein Jahr alt, aber ich denke, ich veröffentliche sie nun besser spät als nie. Diskussionplatform war: schuelervz.net .
Schöne Grüße, Blob ;-)
 
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